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Angedacht

April / Mai 2024

Gesangbücher vor Altar

Wo man singt, da lass dich ruhig nieder …
… böse Menschen haben keine Lieder.

Was wäre ein Besuch in einem Fußballstadion ohne den Gesang der Fans? Was wäre TikTok ohne die Musikclips, die dort ohne Zahl zu sehen sind? Was wären Kirchentage ohne die Lieder, die sie hervorgebracht haben? Was wäre ein Gottesdienst ohne Orgel und Gesang?

Lieder sind immer Ausdruck von seelischem Befinden, von Entwicklungen, von Zeitgeist und Ewigkeit. In Liedern drücken sich unsere Sehnsüchte, Sorgen und Hoffnungen aus. Ob es um die Liebe, die Treue, die Enttäuschung oder die Zukunft geht: Mit einem Lied, egal ob ich es singe oder mir anhöre, mit einem Lied helfe ich mir selber, die Balance wieder herzustellen. Das Lied gleicht aus, was das Leben auseinandernimmt.

Lieder haben auch vor 500 Jahren bei der Reformation eine ganz entscheidende Rolle gespielt. Ohne Lieder hätten sich Martin Luthers reformatorische Gedanken nicht so unter den Leuten verbreiten lassen und manche konfessionelle Ausprägung und damit die Vielfalt unserer Gottesdienste würde es ohne Lieder und Musik nicht geben.

Es war im Jahre 1524, als durch das Wirken von Martin Luther das erste kleine Heft mit acht Liedern auf den Markt kam. Übrigens: Das „Achtliederbuch“, wie es genannt wurde, entstand in Nürnberg. Die Vorlage für die weitere Entwicklung von Gesangbüchern war ein Gesangbuch von Valentin Babst, ein Prachtexemplar aus Leipzig von 1545. Hier waren bereits Lieder aus den verschiedensten Regionen gesammelt. Von da an gibt es eine reiche Geschichte regionaler Bücher.

Viele Lieder aus den Sammlungen des 16. Jahrhunderts finden sich bis heute im Evangelischen Gesangbuch und prägen die evangelische Frömmigkeit. „Ein feste Burg ist unser Gott“ wurde über Jahrhunderte von Konfirmandinnen und Konfirmanden auswendig gelernt. Immer wieder kamen neue Lieder dazu, wie zum Beispiel „Von guten Mächten wunderbar geborgen“. Dieses Lied war ursprünglich ein Gedicht beziehungsweise Gebet von Dietrich Bonhoeffer. Der evangelische Theologe schrieb es in Gefangenschaft 1944. Nach dem Krieg wurde der Text mit einer Melodie verbunden, der letzte Vers des Gedichts war fortan der Kehrvers. Inzwischen ist es ein Lied, das auch in der katholischen Kirche oft gesungen wird. Ein echter Evergreen.

Inzwischen ist es ein stetiger Fluss an Neu-Kompositionen, die das Lied in unserer Kirche verändern. Heute sind moderne Lieder in der Regel rhythmisch geprägt.

Eingängige Melodien mit Texten, die zum Lob Gottes auffordern sind bei jungen Christen sehr beliebt. Aber auch mancher Klassiker erlebt eine Renaissance: „Der Mond ist aufgegangen“ von Mathias Claudius ist seit dem Kirchentag in Hamburg 2013 wieder schwer in Mode. Und das Lied „So nimm denn meine Hände“ fehlt bei nahezu keiner Beerdigung. Liegt es daran, dass es eines der ganz wenigen Lieder ist, das von einer Frau geschrieben wurde? Julie Hausmann, gebürtig aus Lettland, verfasste es 1862. Die einfühlsamen Worte spenden Trost und schaffen Raum für die eigenen Gedanken. Das ist am Friedhof oft das Wichtigste, was geschehen kann. Da wünscht man sich noch mehr Lieder von Frauen!

Unser Gesangbuch feiert in diesen Tagen seinen 500. Geburtstag. Das macht uns ein bisschen stolz. Die aktuelle Ausgabe ist von Anfang an etwas zu groß geraten. Das Gesangbuch will neben den Liedern auch noch Gebete, Gottesdienste und Texte zu Glauben und Leben vereinen. Dadurch ist es sehr dick und unübersichtlich geworden. Aber im Zeitalter der Digitalisierung geht der Trend eh weg vom Buch hin zur Präsentation. Und so werden in unseren Gottesdiensten immer wieder die Lieder auf der Leinwand präsentiert. Wer weiß, vielleicht nimmt man sich eines Tages am Eingang der Kirche ein Tablet und bekommt dann die Lieder ganz ohne Blätter und Bändchen direkt angezeigt? Dann kann man die Predigt mitlesen und gleich einen Kommentar drunter schreiben!

Bis dahin wird es noch dauern, die Kirche war ja noch nie besonders modern. Aber sie hat schon immer sehr gut Altes bewahren können. So bewahren wir auch unsere Liederschätze, die alten und ganz alten, die manchmal wieder modern werden. Und auch die Neuen, die bald älter wer-den, und so zum Teil unserer Geschichte werden.

In unseren Kirchen wird die Musik niemals verstummen. Der Gesang, ob Gemeinde oder Kantorei, wird weiter erklingen. Und dort, wo man singt, so sagt es der Dichter Johann Seumes in einem Volkslied, wo man singt, da lass dich ruhig nieder! Böse Menschen haben keine Lieder.

Willkommen in unserer Kirche – auf ein Lied!

Es grüßt sie herzlich

Ihr Pfarrer Bernhard Winkler

Februar / März 2024

Kirche bei rotem Sonnenaufgang
Foto: Meike Rüger

„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“ Psalm 22,2

Haben wir nicht eben noch die Geburt Christi gefeiert? Weihnachten, Hoffnung, Liebe, die Geburt eines Babys?

Und jetzt - Passionszeit! Die sieben Wochen, die an das Leiden und Sterben Jesus erinnern.

Kaum freut man sich über die Geburt Jesus, wird man auch schon wieder von seinem Tod heimgeholt.

Aber ist das nicht auch so in unserem Leben? Auf der einen Seite freuen wir uns über die Geburt eines Babys und auf der anderen Seite müssen wir uns von einem lieben Menschen verabschieden.

Gehört das nicht zum Leben dazu?

Ja, sicher, aber so wie wir uns auf die Geburt eines Kindes freuen, schieben wir den Tod immer weit von uns. Nur die wenigsten Menschen setzen sich mit ihm auseinander, die meisten haben Angst davor und möchten nicht daran denken.

Und wenn er dann kommt, plötzlich und unerwartet? Dann stehen viele Familien vor den Trümmern ihres Lebens, auf der einen Seite haben sie einen lieben Menschen verloren und auf der anderen Seite stehen sie vor einem riesigen Aufgabenberg, für den sie stark sein müssen.

Und ist es dann nicht verständlich, wenn sie Gott anklagen, schreien, verzweifelt sind?

Natürlich, selbst Jesus hat das in seiner schwersten Stunde getan:
„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Ich schreie verzweifelt, doch du bist so weit weg, nirgendwo scheint mir Rettung in Sicht zu sein.”

Es ist nur allzu verständlich, wenn man dann Gott anklagt, wütend auf ihn ist oder auch ihn verzweifelt anschreit, wenn sogar sein Sohn das getan hat …

Aber wie geht es weiter? Ist es nicht so, wie oben beschrieben: „ich schreie verzweifelt, doch du bist so weit weg, nirgendwo scheint mir Rettung in Sicht zu sein?“ Man bekommt keine Antwort auf seine Fragen, auf das „warum?“. Wie also weiterleben? Mit oder ohne Gott?

Aber war damals Gott nicht in der gleichen Situation? Er musste als Vater seinen Sohn für uns opfern! Das eigene Kind hergeben! Unvorstellbar für mich als Mutter. Also kannte Gott auch diesen Schmerz, diese Verzweiflung, sie ist ihm nicht fremd. Er hat das gleiche gefühlt, wie so viele Menschen, die ebenfalls einen lieben Menschen verlieren.

Und was kommt nach der Passionszeit? Nach dem Leid, nach dem Schmerz, nach dem Tod? Ostern!

Die Auferstehung Jesu! Jesus lebt! Wir freuen uns, wir feiern das Leben, das ewige Leben! Dies ist aber nur möglich, wenn wir uns für ein Leben mit Gott entscheiden. Nur wenn wir daran glauben, dass Jesus zur Vergebung unserer Sünden gestorben ist, dann haben wir ein Anrecht auf das ewige Leben im Himmel. Und dann haben wir auch die Hoffnung, unsere Lieben, die wir verloren haben, wiederzusehen.

Das beantwortet nicht die Frage nach dem „warum“, das mindert auch nicht den Schmerz, aber es gibt die Antwort, warum es sich bei aller Trauer, Wut und Verzweiflung lohnt, sich weiterhin für ein Leben mit Gott zu entscheiden: wegen der Hoffnung auf das ewige Leben!

Eine ruhige Passionszeit und ein schönes Osterfest

wünscht Ihnen

Britta Gavic, Kirchenvorstand

Dezember 2023 / Januar 2024

„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“ 1. Korinther 16,14

Es geht auf Weihnachten zu, wenn dieser Gruß aus der Gemeinde erscheint. Advent, Zeit der Besinnung und des Innehaltens. Weihnachten, das Fest der Liebe und des Friedens. „Alles bei euch geschehe in Liebe“. Das klingt doch so richtig gut, harmonisch und leicht, so kommt sie scheinbar daher, die Jahreslosung für das kommende Jahr.

Der süße Duft von Lebkuchen und Glühwein gemischt mit einem Hauch von Zimt, Bratäpfel und Kerzenschein, über den Weihnachtskrippen der Stern von Bethlehem… All das kommt auf uns zu. Jetzt, wo ich dies schreibe, an einem nassen Novembertag, kommt mir dies so gar nicht heimelig und lieblich vor.

„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“ ein Text, in unsere Zeit hineingesprochen, bleibt mir erst einmal im Halse stecken. Ich schaue mir die Situation in unserer Welt an. In Europa herrscht Krieg. Das Massaker der Hamas in Israel, der folgende Krieg im Gaza mit unzähligen zivilen Opfern, der Rassismus in unserem Land, die Flüchtlinge, die Unwetter in aller Welt…

„Und in dieser Situation kommt ihr Christen daher mit so einem frommen Spruch und überhaupt, warum mischt ihr euch immer in die Politik ein!“. Nun wenn ich in Deutschland aufgefordert werde wieder kriegsbereit zu sein, dann widerspreche ich. Ich will eine friedensbereite Gesellschaft und eine wehrhafte friedensbereitende Armee. Es kommt doch auf die Worte an, die wir wählen, denn diese schaffen irgendwann einmal Wirklichkeit.

„Alles bei euch geschehe in Liebe“ ist so ein Machtwort von Paulus, hineingesprochen in eine Situation der christlichen Gemeinde in Korinth, wo es auch drunter und drüber ging. Menschen aus unterschiedlichen Kulturen lebten hier zusammen. Spannungen und Konflikte waren auch dort an der Tagesordnung. Und dann noch dieser neue Glaube an den Messias, der die Menschen mit den Worten des Doppelgebotes der Liebe herausfordert:

„Das höchste Gebot ist das: Höre Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein, und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und mit all deiner Kraft. Das andere ist dies: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Es ist kein anderes Gebot größer als diese. (Mk 12, 29-31)

Liebe als Gebot, geht das überhaupt? Liebe als eine Lebenshaltung, die sich aus der Liebe Gottes zu uns Menschen speist und aus der sich aus Worten Taten ergeben. „Alles bei euch geschehe in Liebe!“ Wenn dies kein frommer Spruch, nur fromme Worte bleiben soll, dann ist seine Umsetzung ein lebenslanges Übungsfeld fürs Leben, für Alle.

Andere Menschen anzuschauen als von Gott geliebte Menschen. Diese zu ertragen, auch wenn sie noch so sehr nerven. Denn aus einem – mir oft unverständlichen Grund – liebt Gott auch diesen Menschen. Aber, für mich heißt das nicht, einfach alles aus Liebe hinzunehmen, was so manche „geliebte“ Menschen anderen antun. Einem geliebten Menschen, darf ich auch mal widersprechen: In Liebe, aber auch mit Klarheit und Bestimmtheit.

Wenn jemand im Namen Gottes Unrecht tut, dann muss ich in aller Klarheit widerstehen!

Und gleichzeitig immer wieder ein TROTZDEM sagen. Trotz all dem jedes Jahr ein Friedenslicht anzünden, wie Pfadfinder dies seit 1986 tun. Sie bringen am 3. Advent ein Friedenslicht aus der Geburtsgrotte in Bethlehem in alle Welt, als ein Hoffnungszeichen für diese Welt. Weihnachten ist seit 2023 Jahren der stete Versuch Gottes uns ganz nahe zu sein. Es ist sein liebevolles TROTZDEM:

Ich bin dir nahe, näher als du dir selbst und alles, was du tust geschehe aus Liebe. Weit mehr als nur frommes Gerede, sondern ganz sicher sein Widerspruch gegen die Reden aus Hass und Gewalt, die in dieser Zeit scheinbar so übermächtig sind

Und wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren, und nicht in dir: Du bliebest doch in alle Ewigkeit verloren.
(Angelus Silesius)

Eine gesegnete Weihnachtszeit und ein frohes und liebevolles Jahr 2024

Wünscht Ihnen

Günter Tischer, Diakon

Oktober / November 2023

„ … und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser.“ 1. Mose 1,2

Wenn man von Erlangen aus Richtung Norden die Regnitz entlangfährt, kommt man an etlichen Wasserrädern vorbei. Zumindest im Sommer ist das so, weil die Wasserräder im Winter abgebaut werden, d. h. sie müssen abgebaut werden, einer alten Verordnung nach. Es ist ja auch nicht nötig, im Winter die Auen rund entlang des Flusses zu bewässern, und außerdem würden die Räder im Winter bei Frost womöglich Schaden nehmen.

In früheren Zeiten gab es sehr viele dieser Wasserräder. Heute sind die meisten durch Pumpen ersetzt. Aber die Bewässerung der breiten Wiesen ist noch heute eine wichtige Grundlage der Landwirtschaft in dieser Region. Die in weiten Teilen sehr langsam fließende Regnitz lockte im 17. und 18. Jahrhundert viele Handwerker in die Region. In Erlangen beheimateten sich die Schuhmacher. Der Fluss bot ihnen beste Möglichkeiten, das Leder zu gerben und anschließend zu waschen. Hier liegt der Ursprung der beiden großen Sportartikel-Hersteller, die heute in Herzogenaurach ihren Stammsitz haben. Denn auch die Fußballschuhe und die Fußbälle selber waren ja mal aus Leder.

Die Wasserräder haben heute keine wirtschaftliche Bedeutung mehr. Aber sie erinnern uns an die Zeiten, da der Mensch mit einfachen Mitten dafür sorgte, dass er seine Erträge erhöhen und die Kraft des Wassers sein Überleben sicherte. So sind sie heute für Besucher Mahnmale, dass das Wasser auch heute eine der wichtigsten Rohstoffe ist, die wir haben. Ohne Wasser wird es kein Leben geben, nicht für die Insekten, nicht für die Tiere, nicht für die Menschen. Wasser bestimmt in der Regel unseren Alltag, auch wenn wir das nicht immer merken. Aber von der Toilette über das Zähneputzen bis hin zum Kaffee sind wir direkt auf Wasser angewiesen. Die indirekten Nutzformen wie das Färben von Kleidung oder der Bau eines Hauses sind da gar nicht mitgezählt.

Die Bibel spricht an ganz vielen Stellen vom Segen, der im Wasser liegt. Gleich in den ersten zwei Sätzen bei Mose heißt es: „Der Geist Gottes schwebte über dem Wasser.“ In einem Gespräch mit einer namentlich unbekannten Frau erklärt Jesus, dass das Wasser auch ein Geheimnis Gottes ist. Er sagt: „Ich gebe dir lebendiges Wasser“. Schließlich wird das Wasser zum Symbol für die Taufe. Mit dem Wasser wird der Mensch neu geboren. Seine Sünden werden abgewaschen und er ist zeichenhaft zum Kind Gottes berufen. Wasser wird so zum Bindeglied zwischen Gott und Mensch, denn im Wasser der Taufe verspricht Gott, sich ganz auf die Seite des Menschen zu stellen. Als Jesus von seinem Cousin Johannes getauft wurde, da erklang die Stimme Gottes aus dem Himmel: „Dies ist mein geliebter Sohn!“

Die Wasserräder an der Regnitz können uns an eine wichtige Voraussetzung auch für uns Christen erinnern: Wir schöpfen immer wieder und ununterbrochen aus dem Segen Gottes. Wir können damit unsere Lebensgrundlage erweitern und sichern. Wir können Segen dahinbringen, wo er nötig ist, wo er Früchte bringt, wo er unser Überleben verbessert oder sichert.

Viele in unserer Gemeinde engagieren sich seit langer Zeit genau in diesem Sinn. Der Kirchenvorstand zum Beispiel oder unsere Gemeindehilfen. Wie ein Wasserrad schöpfen sie Kraft aus dem Glauben und bringen so Segen in unsere Gemeinde. Auch die Mitarbeitenden in den Kindergärten machen es so. Vielleicht denken nicht alle, dass sie mit ihrer Arbeit Segen ausbreiten. Aber das Geheimnis des Wassers, das Gott zu seinem Werkzeug erklärt hat, liegt eben nicht in unserer Hand. Dennoch spüren wir, was es heißt: Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein! Der Zuspruch, den Abraham von Gott erhält, ist unser Wasserrad, das sich in unserer Mitte dreht. Es dreht sich unaufhaltsam und ohne scheinbare Mühe. Es dreht sich, weil Gott uns lebendiges Wasser gibt.

Eine besondere Freude ist es, wenn an der Sophienquelle Kinder getauft werden. Das Rauschen der Quelle ist wie ein magischer Ton, der oftmals die Familien in seinen Bann zieht. Wenn alle da sind und sich auf die Bänke hingesetzt haben, dann gibt es einen Moment der Stille, an dem die Aufmerksamkeit ganz dem Wasser gilt. Die meisten lassen sich darauf ein, und man kann sehen, wie allein das Geräusch sie zu einem Teil dieses besonderen Ortes macht. „Lebendiges Wasser“, das zum geheimen Zeichen für Gottes Gegenwart wird. Die Familien bringen immer ein eigenes kleines Gefäß mit. Damit wird dann das Wasser der Taufe aus dem Quellbecken geschöpft. Wie bei einem Wasserrad: Der Becher, der Krug läuft voll, das Wasser kommt dorthin, wo es zum Segen wird: auf den Täufling.

Die Wasserräder an der Regnitz sind in die Jahre gekommen, das kann man ihnen ansehen. Das gleiche gilt für uns als Kirchengemeinde. Aber das ändert nichts daran, dass wir weiter aus Gottes reichen Gaben schöpfen. Wir sind gesegnet, darum können wir zum Segen werden.

In Gottes Namen darf ich Ihnen einen gesegneten Herbst wünschen.

Es grüßt Sie herzlich Ihr Pfarrer

Bernhard Winkler

August / September 2023

Du bist ein Gott, der mich sieht. 1. Mose 16,13

Frisch aufgetaucht aus einem Tauchgang, ein fröhlich strahlendes Gesicht, über den Augen noch die Schutzbrille: Ein Kind beim Baden, wie es Eltern oder Großeltern regelmäßig erleben.

Der Blick des Kindes erinnert an ein Versteckspiel oder an einen Besuch: Kinder können sich freuen allein daran, dass man sie sieht. Wenn das Kind gefunden wird, wenn man es willkommen heißt, das genügt oft schon, um ein Strahlen und Leuchten im Gesicht zu erzeugen.

Ähnlich ist es Hagar ergangen. Die Frau aus dem Alten Testament, die so schlimme Dinge miterleben musste, wurde in der Wüste von Gott gesehen. Er hat sie willkommen geheißen, wo alle anderen sie gerade rausgeworfen hatten. Hagar ist bitter enttäuscht und zugleich in größter Lebensgefahr. Denn sie ist Sklavin, sie gehört einem anderen Menschen. Dieser andere ist Sarah, die Frau des Abraham. Die ist ihre Herrin. Oder besser: war es. Denn Sarah hat Hagar rausgeworfen. Das war nicht unbedingt eine Freilassung aus der Sklaverei. Das war vielmehr ein Todesurteil. Hagar wurde nämlich in die Wüste geschickt.

Gott sieht Hagar, und das bringt ihre Augen zum Leuchten. Sie ist von einem Gefühl der Hoffnung erfüllt. Sie weiß mit einem Mal, dass sie noch eine Chance hat. Mitten in der Wüste fühlt sie sich, als würde sie gerade aus einem Bad auftauchen. Hallo, ich bin wieder da. Könnt ihr mich sehen?

Hagar erlebt einen Wandel, den wir uns für uns selbst oft wünschen. Wir sind keine Sklaven, aber frei fühlen wir uns auch nicht. Wir werden nicht in die Wüste geschickt, aber oft kommt einem das Leben wie ein Wüste vor. Alles gleich, leer, da fehlt die Lebendigkeit, die Abwechslung. Gefühlt geht es stetig bergab. Energie und Krieg, Unsicherheit und Hilflosigkeit – wie eine dauernde Fessel legt sich das um unseren Alltag.

Du bist ein Gott, der mich sieht! – so sagt es Hagar. In ihrer Not erfährt sie einen Blick, der sie trifft. Mitten in der Wüste erlebt sie Solidarität und Mitgefühl. Sie muss das weder aushalten noch erleiden. Sie darf zurück ins Leben. Gott macht ihr Mut, wieder zu Sarah umzukehren. Zu Sarah?

Das ist hart und ehrlich: Niemand kann über Nacht seine Probleme verschwinden las-sen. Niemand fängt so einfach wieder bei Null an. Was gewesen ist, das bleibt. Leider. Jedoch mein Blick darauf, der kann sich ändern. So wie Gott einen anderen Blick auf mich wagt. Er sieht mich – nicht strafend, nicht vorwurfsvoll. Nein, nicht mein Versagen, meine Angst, meine Hilflosigkeit stehen in seinen Augen. Er sieht meine Würde. Er sieht mein wahres Ich, meinen Stolz, meine Einzigartigkeit. Er sieht mich als sein geliebtes Kind. Hallo, da bist du ja! Er strahlt mich an mit dem Lachen seiner ganzen Schöpfung.

So tauchen wir auf – aus den Tiefen unseres Lebens. So tauchen wir auf – in den Sommer seiner Gnade. So tauchen wir auf – nach dem Urlaub in unserer Gemeinde. Da sehen wir uns. Weil wir alle von IHM gesehen werden.

Bleiben Sie wohlbehalten, von Gott gesehen. Wir sehen uns dann – vielleicht bei einem Gottesdienst oder einem Gespräch.

Ich wünsche Ihnen eine schöne Sommerzeit sowie erholsame Ferien.

Es grüßt Sie herzlich Ihr Pfarrer

Bernhard Winkler

Angedacht

im Juli 2023

Holzteller mit belegten Broten

Gott gebe dir vom Tau des Himmels und vom Fett der Erde und Korn und Wein die Fülle. 1. Mose 27,28

Was für ein schöner Segen!

Gott gebe dir vom Tau des Himmels und vom Fett der Erde und Korn und Wein die Fülle.

Der Tau des Himmels, der die Felder mit dem kostbaren Nass befeuchtet. Die fruchtbare Erde bringt Korn und Wein in Fülle hervor. Reiche Ernte. Duftendes Brot und köstlicher Wein wird daraus. Die Hände und Arbeit vieler deckt den Tisch mit all den wunderbaren Lebensmitteln.

Kommt und seht, schmeckt wie freundlich der Herr ist. Zum Gastmahl seid ihr geladen an seinem Tisch. Keiner ist ausgeschlossen. Er führt uns zum frischen Wasser. Er schenkt uns voll ein! Er bereitet uns einen Tisch in der Fremde mit dem Blick auf die Weite des Meeres. Mir wird nichts mangeln, denn du bist bei mir.

Sind wir nicht gesegnet? Ich denke an meine Auszeit im letzten Herbst im Karwendelgebirge. Ein Glas Rotwein und Wasser aus der Quelle am Tisch, frisches Brot, ein Stück Käse und Schinken von der Alm und der freie Blick in die herbstliche Bergwelt. Und meine Gedanken wandern weiter ans Meer, mit weitem Blick auf den endlosen Horizont. Der Tisch gedeckt mit den Früchten des Meeres und des Landes. Nicht weit gereist – wie ich – sondern alles aus der unmittelbaren Umgebung, bodenständig, frisch zubereitet. Lebens-Mittel. Hier ist es gut zu sein. Was für ein Privileg so das Leben zu erleben. Im Urlaub, frei von den Alltagssorgen.

Gott gebe dir vom Tau des Himmels und vom Fett der Erde und Korn und Wein die Fülle.

Einen Segen aus einer guten alten Zeit, in der noch alles in Ordnung war?

Wie gern würde ich einen Segen weitergeben, der aus sehr alten Zeiten kommt und auch heute noch seine Kraft entfaltet.

Aber; gar nichts war in Ordnung als dieser Segen ausgesprochen wurde: Der alte Isaak, schenkte dem Ältesten aus vollem Herzen diesen Segen, der ihm Glück und Reichtum verhieß…

Doch der Sohn, den er gesegnet hat, war nicht Esau, sondern der jüngere Bruder Jakob, verkleidet. Der Segen war gestohlen! Jakob wollte mehr als sein Bruder Esau, er hatte nicht genug und war sich nicht zu schade für einen Betrug.

Dieses falsche Streben sprengte Jakob heraus aus seinem behaglichen Zuhause, wo es Korn und Wein in Fülle gab. Noch am selben Abend fand er sich ganz allein in der Wüste wieder, auf der Flucht vor dem wütenden Bruder.

Dort schlief er ein und dort träumte er seinen großen Wüstennachtstraum: Von einem Himmel, der offen stand, von einer Leiter, die zur Erde führte, von einem Gott, der ihm den Segen versprach. Trotz seines Betruges.

Das ist für mich das Befreiende, dass Gottes Segen gilt! Das er uns immer wieder dieses Trotz-Dem zu sagt.

Ich bin ein Gott der dich sieht! Ich bin ein Gott, der trotzdem zu dir steht.

Für mich ist dieser Segen eine Zusage, die ich nicht nur im Urlaub und in den schönen Tagen des Lebens wahrnehmen möchte, sondern eigentlich an jedem Tag. An jedem Tag zufrieden zu sein mit dem, was ich habe und was mir geschenkt wird.

Jakob bekam den Tau des Himmels und das Fett der Erde, auch Korn und Wein in Fülle, aber bis dahin war es ein weiter Weg – durch Höhen und Tiefen und durch ein langes, abenteuerliches und gesegnetes Leben.

Gott gebe dir vom Tau des Himmels und vom Fett der Erde und Korn und Wein die Fülle – und geleite dich durch dein ganz eigenes, abenteuerliches und gesegnetes Leben!

Ich wünsche Ihnen eine schöne Sommerzeit mit vielen freudigen Erlebnissen, die zufrieden machen und Ihnen im Bewusstsein bleiben.

Ihr
Günter Tischer

TEMPORA MUTANTUR –

Die Zeiten ändern sich

Plakatwand mit neuen Gottesdienstzeiten

Als Ende Februar letzten Jahres der Krieg zwischen Russland und der Ukraine losbrach, da sprach der deutsche Bundeskanzler von einer Zeitenwende. Zwanzig Jahre zuvor, damals hieß der Kanzler Gerhard Schröder, wurde eine Agenda ausgerufen: Agenda 20 10. Wieder zwanzig Jahre vorher, gerade war Helmut Kohl Bundeskanzler geworden, da wurde eine Wende verkündet.

Vierzig Jahre, in denen sich wahrhaft viel verändert hat. In unserer Gesellschaft, in Europa und der Welt. Und auch in unseren Kirchen. Gerade in Burgthann galt lange Jahre ein Wachstum als programmatisch: Die Zahl der Kirchengemeindeglieder wuchs und wuchs. In der Spitze waren es über 2.500 Evangelische in unserem kleinen Ort. In Altenthann war es nicht viel anders, auch wenn die Bewegungen hier nicht so stark ausgeprägt sind.

Heute sind wir wieder in einer Wendezeit, auch in unseren Gemeinden. Die Zahl der Gemeindeglieder geht kontinuierlich zurück. Altenthann ist bereits in der Coronazeit unter die 500 Gemeindeglieder gerutscht. In Burgthann lag nun erstmals im Januar 2023 die Zahl der Gemeindeglieder unter 2000 – bei einem Ort, der eigentlich von seiner Bevölkerung her relativ stabil geblieben ist (Burgthann und Mimberg etwas über 5.000 Einwohner).

Die Zeiten ändern sich. Das alte lateinische Sprichwort bewahrheitet sich erneut. Denn auch beim Personal gibt es Änderungen: Die Zahl der aktiven Pfarrerinnen und Pfarrer in der Evangelischen Kirche in Bayern wird sich bis 2035 halbieren. Das sind noch etwas über zehn Jahre, aber der Prozess hat längst begonnen: Die Liste der Kirchengemeinden, die einen Geistlichen suchen, wird von Monat zu Monat länger. Selbst in den in der Vergangenheit immer beliebten Metropolen Nürnberg und München sind inzwischen einzelne Stellen über längere Zeit unbesetzt. Es fehlt am Nachwuchs, und das schon lange Zeit.

Nun könnte man sagen: Passt doch eigentlich! Die Gemeinden schrumpfen, das Personal wird weniger, wo ist das Problem? Das Problem sind unsere Gewohnheiten, unsere Ausrichtung, unser Denken. Der Wandel auf dem Papier macht ja noch keinen Wandel in den Köpfen. Das ist die Herausforderung. Wir müssen uns anpassen, müssen neue Wege gehen, müssen uns neu definieren. Was früher mal eine Kirchengemeinde war, das wird in Zukunft wahrscheinlich nur noch im Verbund mit anderen funktionieren. Die Formen der Eigenständigkeit werden schrumpfen, die Angebote, die Finanzen, die Präsenz in der Öffentlichkeit – alles wird dem Wandel unterworfen sein.

Zeit für einen Wandel auch in unserer Haltung: Kirche lebte lange Zeit von Forderungen: Die Leute müssen kommen, die Gemeinde muss sich beteiligen. Wir müssen unseren Mund auftun für die sozial Benachteiligten. Wir müssen den Randgruppierungen eine Plattform bieten, wir müssen uns politisch engagieren.

Und so weiter. Kirche war und ist immer ein Erfolgsunternehmen, das darf sich nicht ändern. Oder doch? Gibt es eine Chance, den Wandel hin zum Kleineren mit Freude zu gestalten? Kann man das Weniger mit einem Mehr an Inhalt füllen? Lassen sich Kirchengemeinden in einer größeren Ausdehnung wieder als Gemeinschaften mit einem ganz festen Kern gestalten?

Das weiß man nicht. Vielleicht? Aber was wäre die Alternative?

Tempora mutantur, nos et mutamur in illis. Das Sprichwort hat noch einen Nachsatz: Die Zeiten ändern sich, und wir ändern uns mit ihnen. In den Kirchenvorständen in Burgthann und Altenthann und in denen unserer unmittelbaren Nachbarn ist ganz viel Aufbruchsstimmung zu spüren. Da ist der Wille greifbar, es für die Zukunft zu richten. Ja, wir wollen eine gemeinsame Basis schaffen, die uns befähigt, unseren Glauben auch in Zukunft miteinander zu teilen.

Das ist ein großes Unterfangen. Die Kirchenvorstände haben im vergangenen Jahr hart daran gearbeitet. Das erste Ergebnis ist jetzt ein neuer Gottesdienstplan, der auf Seite 19 näher erläutert wird. Mit diesem Plan kommen auch neue Gottesdienstzeiten: Tempora mutantur – ja, die Zeiten ändern sich. Für die einen wird es eine Erleichterung sein, wenn ab Ostern die Gottesdienste teilweise erst um 10:30 Uhr beginnen. Für andere wird es eine Beschwernis, da so der Sonntag stärker eingeschränkt ist. Dazu werden einige Gottesdienste nicht mehr in der eigenen Kirche stattfinden sondern in der Nachbargemeinde. Vor allem Altenthann, Burgthann und Rasch werden sich mit den Angeboten abwechseln.

Was wird das bei uns Menschen verändern? Die neuen Zeiten können neue Gemeindeglieder anlocken? Sie können auch alte abschrecken? Vor allem werden sie dafür sorgen, dass auch 2035 noch regelmäßig Gottesdienste bei uns stattfinden können. Das ist das Ziel, danach haben sich die Kirchenvorstände ausgerichtet. Den Wandel gestalten, damit sich mit weniger Personal mehr anfangen lässt.

Tempora mutantur: Ab 30. April finden unsere Gottesdienste um 9:00 Uhr und um 10:30 Uhr statt.

Lassen Sie sich mit verändern und kommen Sie. Wir freuen uns!

Ihr Pfarrer Bernhard Winkler

Gedanken zur Jahreslosung 2023

Frau vor Sonnenuntergang

Du bist ein Gott, der mich sieht.
1.Mose 16,13

Die Jahreslosung kommt für dieses Jahr aus dem Mund einer Frau. Sie heißt Hagar. Und sie ist - umgangssprachlich - eine arme Sau. Sie wird oft als Magd tituliert, aber man muss wohl eher den Begriff der Sklavin bemühen. Sie gehörte nämlich Abraham oder vielmehr dessen Frau Sarah. Und diese Sarah machte sie zur Leihmutter, oder Zwangsprostituierten oder wie auch immer. Sarah bekam keine Kinder, also musste Hagar herhalten. Der Stamm des Abraham brauchte einen Stammhalter. Sonst würde die Sippe wieder in fremde Hände fallen. Sarah würde selber zur Sklavin. Aber das war für sie keine gute Option.

Aber jetzt passiert es: Hagar bekommt ein Kind, einen Jungen, und auf einmal fühlt sie sich gegenüber ihrer Herrin als die Überlegene. Sieh, ich kann, was du nicht kannst. Ich bin die, die hier ihre Aufgabe erfüllt. Dazu ist die Chefin gar nicht in der Lage. Ein kleiner Sklavenaufstand – der sofort sanktioniert wird. Sarah wirft Hagar einfach raus, samt Kind – ab in die Wüste. Ein Todesurteil.

Die Bibel erzählt uns hier eine Frauengeschichte der bitteren Art. Es ist auch ein Klassenkampf, ein Kampf unten gegen oben. Es ist zugleich eine religiöse Geschichte. Denn sowohl Sarah und Abraham als auch Hagar stehen unter Gottes Verheißung. In der Wüste, da wo sie hin verstoßen war, da begegnet Hager diesem Gott. „Geh wieder zurück zu Sarah, du wirst es nicht bereuen!“, sagt der zur ihr. „Dein Sohn wird Ismael heißen, das bedeutet: Gott hört!“ Hagar, die das Leben in sich trägt, soll eben nicht sterben. Das ist Gottes Plan für sie.

Hagar nimmt dieses Geschenk an: „Du bist ein Gott, der mich sieht!“

Der Legende nach wird Hagar zur Stammmutter der Araber. Wie ihre Herrin Sarah. Die bekommt später selber ein Kind, den Isaak. Darauf gründet sich das Volk der Juden. Juden und Araber sind verwand, sie haben denselben Stammvater, so gilt es bis heute. Und beide stehen unter dem Schutz und dem Segen Gottes, so beschreibt es die Bibel.

Und doch will diese Geschichte mehr sein als nur eine völkerkundliche Beschreibung. Es geht um die Verlorenheit des Menschen. Es geht um seine Abhängigkeit und seine Angst. Es geht um die innere Finsternis, die Menschen befällt, wenn die Zukunft auf einmal verschwindet. Hagar hat all das in sich. Sie hat sich das ja nicht ausgesucht. Aber sie hat dennoch einen gewissen Stolz. Ich bin nicht alleine das, was andere in mir sehen. Ich bin nicht nur abhängig. Ich bin auch jemand, ich bin was wert. Und das lasse ich mir nicht einfach wegnehmen.

Stellen wir uns die Frauen im Iran vor. Sie sollen sich verschleiern – ein Gebot aus dem Koran. Die Regierung schreibt es als Gesetzt vor. Alle Frauen müssen das, sobald sie in die Öffentlichkeit treten. Wer sich nicht dran hält, den schicken sie in die Wüste, das heißt in den Tod. So geschehen im September diesen Jahres. Die 22-jährige Mahsa Amini wurde in Polizeigewahrsam getötet, weil sie keinen Schleier trug. Inzwischen sind hunderte Tote dazu gekommen. Die Menschen wollen nicht mehr wegschauen. Sie geben den Frauen ein Gesicht. Die Machthaber sollen nicht denken, dass sie ihre Mordpläne unbemerkt vollführen können. Die Frauen treten hervor, tanzen auf den Straßen und schauen in die Handykameras. Der Protest geht durch das ganze Land und darüber hinaus. Als wenn diese islamische Republik, wie sie sich selber nennt, das Wort aus dem Alten Testament wiederentdecken wollte. „Du bist ein Gott, der mich sieht!“

Und wir? Werden wir auch gesehen? Schauen wir noch hin? Oder schauen wir lieber weg? Es gibt vieles, was uns bewegt, wo wir die Not von Menschen unmittelbar spüren. Die Tafel registriert einen ständig wachsenden Kundenstamm. In den Schulen haben immer mehr Kinder Probleme die Anforderungen zu bewältigen, weil sie psychisch belastet sind. Nicht alle haben ihre Corona-Erkrankung gut weggesteckt, so manch einer leidet für viele Monate unter den Folgeerscheinungen. Die Situation in der Pflege ist ja von schlecht über ganz schlecht bis hin zu katastrophal bald gar nicht mehr in Worte zu fassen.

Es gibt sehr viele Beispiele, und jeder hat sein eigenes Erleben, wo ihn die Not unmittelbar vor Augen steht. Die Jahreslosung ist uns Trost und Wegbegleiter, dass auch wir von Gott gesehen sind. In der Bibel gibt es eine Wiederholung dieser Szene von Hagar. Es ist die schwangere Maria, die zu Gott betet. Und sie betet die gleichen Worte wie Hagar. In ihnen liegt die große Verheißung, dass Gott uns retten wird. Der Sohn der Maria heißt Jesus – Gott rettet.

Das ist einer der ganz großen Bögen in der Bibel. Daran erinnert uns die Jahreslosung. Gott sieht und er handelt. Er macht aus den kleinen Leuten ganz große. Er verwandelt Elend in Licht. Diese Zusage bleibt bestehen, sie ist der Grundstein dessen, was wir Barmherzigkeit nennen. Unter diesem Horizont breitet sich ein Jahr aus, das uns viel abverlangen wird. Aber wir bleiben gesehen und gerettet.

Angedacht

im Dezember 2022

Mädchen im Regen mit nassen Haaren

Uns ist der Heiland, der Messias geboren! –
HALLELUJA!

HALLELUJA – dieses Wort weckt sofort Assoziationen und Verbindungen. Halleluja, das ist Musik, die man gleich im Ohr hat. Natürlich das etwas schmalzige Lied von Leonard Cohen, das oft bei Hochzeiten oder auch Beerdigungen zu hören ist. Aber auch das kraftvolle und etwas pompöse von Georg Friedrich Händel aus seinem Musikstück „Messias“.

Halleluja kommt in der Bibel gar nicht so oft vor. Nur an 26 Stellen lässt sich dieses Wort finden. 22 mal in den Psalmen, wobei das vor allem die hinteren sind, so ab Nummer 111 bis 150. Und dann gibt es noch vier Bibelverse mit diesem Wort im letzten Buch der Bibel, der Offenbarung des Johannes.

In der Bibel ist das Halleluja ein Lobruf der obersten Klasse. Halleluja hat einen mehr musikalischen Klang, es wurde vermutlich nur in Gottesdiensten verwendet – im Gegensatz zum Hosianna, das mehr so eine Art Straßenruf ist. „Halleluja! Singet dem HERRN ein neues Lied.“, heißt es in Psalm 149.

In dem bekannten Weihnachtslied „Kommet ihr Hirten“ lautet die zweite Strophe:

Lasset uns sehen in Bethlehems Stall,
was uns verheißen der himmlische Schall;
was wir dort finden, lasset uns künden,
lasset uns preisen in frommen Weisen.
Halleluja!

Weihnachten ist Halleluja-Zeit. Wir danken Gott, dass er bei uns ist. Wir loben Gott, weil wir nicht verloren sind. Er kommt, um uns zu retten. Weil Jesus geboren wurde, können wir uns trotz aller Not freuen und diese Freude auch miteinander teilen.

Eine großartige Möglichkeit dazu findet sich in unseren Weihnachtsgottesdiensten, zu denen alle ganz herzlich eingeladen sind. Da wird es viel Musik geben, die davon erzählt, wie wunderbar unser Gott ist. Musik mit Halleluja!

Eine ganz besondere Gelegenheit bietet sich dieses Jahr mit dem Weihnachtskonzert der Kantorei in Burgthann. Es wird eben jenes Stück von Händel gespielt – der „Messias“, bei dem am Ende alle einstimmen in den Lobgesang:

Uns ist der Heiland, der Messias geboren! – HALLELUJA!

Eine gesegnete, eine frohe und liebevolle Weihnachtszeit wünscht Ihnen
Ihr Pfarrer Bernhard Winkler

Gedanken zum Buß-und Bettag

Warnmeldung

Das Löschen ist ein allgegenwärtiger Vorgang. Jeden Tag muss gelöscht werden. Auf jedem Computer, auf jedem Handy. Ob mit der entsprechenden Taste oder mit einem speziellen Programm: Wir löschen, um aufzuräumen, um Platz zu schaffen, um Unbrauchbares oder Ungewolltes loszuwerden.

Was in der digitalen Welt funktioniert, ist im realen Leben leider häufig unmöglich: Es gibt so vieles, was sich einfach nicht löschen lässt! Erinnerungen und Erlebnisse, die mich verletzt haben. Ereignisse, die mich in die tiefsten Krisen gestürzt haben. Ängste und Sorgen, die ich nicht aus mei-nen Kopf rausbekomme, die ständig da sind, auch wenn ich sie gar nicht gebrauchen kann.

Löschen müsste man diesen ganzen Müll. Was sich da in einem Leben so ansammelt, das ist ja mehr als auf jede Festplatte draufpasst. Der Streit mit den Geschwistern – schon ewig her, aber ebenso festgefahren, dass nichts mehr geht. Das Unverständnis dem Partner gegenüber: Seit Jahren dieselbe Nummer, immer gleich. Ändert sich nichts, da kann ich reden, was ich will. Dazu der Stress auf der Arbeit: Die Kollegin ist ja eigentlich ganz in Ordnung, aber wie die sich immer wieder versucht, beim Chef anzubiedern, das geht einem nur noch auf den Zeiger.

Dass uns Handys und Computer so faszinieren, hat vielleicht genau damit zu tun: Da kann man einfach alles wieder löschen. Was einem nicht gefällt, das verschwindet. Ganz leicht, ganz schnell, ganz sicher!

Am 16. November feiern wir den Buß- und Bettag. Dieser Tag ist ja schon ein Wort-Ungetüm an sich. Und was er will und soll, ist mindestens genauso schleierhaft. Büßen und Beten, klingt altmodisch und aus der Zeit gefallen. Stopp: Aus der Zeit? – Nein, das ist in die Zeit gefallen. War ja schon da-mals, als Jesus die Menschen dazu aufforderte, sich zu ihren Sünden zu bekennen und sich zu Gott zu bekehren, wenig beliebt. Ja, ein paar Jünger folgten ihm. Aber die Masse? Die schrie, als es mal um was wirklich Wichtiges ging, sofort: Kreuziget ihn!

In die Zeit gefallen ist der Gedanke, dass man auch im normalen Leben so eine Löschen-Taste hat. Da gibt es einen Knopf, der macht, dass sich was ändert. Gott nimmt die schweren und belasteten Gedanken aus unseren Herzen. Weg damit. Delete – Löschen. Endgültig? Ja, bitte!

Ich sehe meine Geschwister nicht nur als die, die sie waren, sondern auch als die, die sie sind! Mein Partner ist nicht nur der, den ich mir wünsche, sondern er ist auch der, der selber Wünsche hat. Meine Kollegin ist nicht nur auf ihre Chancen aus, manchmal hat sie auch Angst vor meinen.

Wenn es was zu löschen gibt, dann kann es hilfreich sein, diesen „Buß- und Bettag“ bewusst wahrzunehmen. Ein Besuch im Gottesdienst, ein Gebet für sich selber, ein Gedanke an Gott, der die Taste für uns bereithält.

Löschen – Endgültig? – Ja! – Danke!

Angedacht

im Oktober / November, 2022

Mädchen im Regen mit nassen Haaren

Kahl sind schon die Wälder,
leer die Stoppelfelder,
und der Herbst beginnt (erst)

Das altbekannte Lied aus Kindertagen muss jetzt umgedichtet werden. Zu sehr hat dieser Sommer unser Land ausgetrocknet. Als im August Kinder an der Sophienquelle getauft wurden, da fielen von oben trockene Blätter von den Bäumen. Der Mais stand allendhalben braun und ausgetrocknet, und das schon seit Anfang Juli. Das Treidelschiff Elfriede konnte gar nicht in Betrieb genommen werden, weil der Wasserstand zu niedrig war. Nur für den Gottesdienst der Kirchengemeinde auf dem Schiff wurde extra Wasser angestaut.

Die Trockenheit hat vieles verändert: Wasser ist jetzt ein kostbares Gut. In Italien ist es rationiert, in Spanien fehlt es schon seit einigen Jahrzehnten. Im Norden, in Norwegen und Schweden fließt es ungebremst von den Gletschern ins Meer.

Mit dem Wasser verschwindet das Leben. Früher waren in einer handvoll Waldboden Millionen von Lebewesen zu finden. Sogar mit dem bloßen Auge konnte man viele Würmer und Käfer erkennen. Heute ist es nahezu unmöglich, mit der Hand in den Waldboden hineinzugreifen: Er ist trocken und steinhart.

In der Bibel gibt es unzählige Geschichten, die sich um das Wasser drehen. Ob Noah oder Mose, ob Jakob oder Jesus, alle sitzen am oder auf dem Wasser oder halten Ausschau. Alle fragen, ob im Wasser auch Gottes Gegenwart zu finden ist. Alle sehen, dass Wasser ein Geschenk ist, das das Leben verändert.

Noah ist der erste, der dem Wasser trotzen muss: Wasser im Überfluss verschlingt alles. Aber Wasser trägt auch, nämlich ihn und seine Arche. Am Ende ist Wasser der Stoff, der mit dem Lichtstrahl der Sonne den Regenbogen an den Himmel malt.

Jakob baut Brunnen, einen nach dem anderen. Er wird zum Fährtenleger, der die Spur des Wassers in Israel legt. Seine Brunnen werden zu Orten der Begegnung mit Gott. Denn dort, wo Wasser ist, da ist auch der Schöpfer des Lebens zu finden.

Mose ist „der aus dem Wasser gezogene“, der dann in der Wüste sein dürstendes Volk vor dem Tod bewahren muss. Auf der Flucht muss er das Wasser teilen, um vor den heranstürmenden Ägyptern in Sicherheit zu sein. Und am Ende muss das Volk nur noch das Wasser des Jordan überqueren, und dann fließen nicht nur Wasser sondern auch Milch und Honig.

Schließlich Jesus: Von Johannes getauft – im Wasser des Jordan. Genau an der Grenze, an der einst Mose sein Volk in das gelobte Land entließ. Jesus nimmt das Wasser mit als Zeichen des lebendigen Gottes: Wasser wird zum „lebendigen Wasser“, wenn er mit der Samariterin am Brunnen spricht. Wasser trägt ihn wie einst Noah, wenn er seinen Jüngern auf dem See Genezareth entgegenkommt und auf dem Wasser läuft. In Jerusalem am Teich Bethesda, dort, wo die Kranken und Lahmen lagern und darauf warten, dass der Engel des Herrn das Wasser bewegt, – denn wer dann als erster ins Wasser steigt, der wird von seiner Krankheit geheilt – da macht Jesus einen Lahmen gesund, der es niemals als erster schaffen kann. Und auf einmal ist der Engel dem Wasser entstiegen und geht auf die Menschen zu. Als Jesus dann am Kreuz stirbt, sagt er: „Mich dürstet!“ Aber die Soldaten verstehen ihn nicht, darum reichen sie ihm auf einem Schwamm Essig, ein Mittel zur Betäubung der Schmerzen. Das verweigert Jesus, denn er hat einen anderen Durst, er hat Durst nach seinem Vater.

All diese Erzählungen können für uns Hilfen sein. Wir werden erkennen müssen, dass das Wasser die Grundlage allen Lebens ist. Und diese Grundlage muss man sorgsam behandeln. Wir werden lernen müssen, dass wir das viel leichter tun können, wenn wir im Wasser auch einen Zugang zum Glauben sehen. Wasser ist mehr als nur ein chemischer Stoff. Wasser ist unsere Zukunft – unser aller Zukunft!

Bei der Schöpfung ganz am Anfang der Bibel heißt es: „Und der Geist Gottes ruhte auf den Wassern.“ Gehen wir diesem Geist nach, dann werden wir das Wasser neu spüren. Dann werden wir es verlangen nicht nur für die Natur, sondern vor allem für unsere Seele. Dann werden wir einen Regentag als großes Glück empfinden. Und vielleicht werden wir endlich anfangen, unsere Fehler zu korrigieren. Es gibt diese große Chance, dass wir uns von einem tieferen Bewusstsein unseres Lebens leiten lassen.

Die Menschen in der Bibel waren sich ja auch nicht immer sofort im Klaren darüber, was es mit ihrer jeweiligen Situation und dem Handeln Gottes auf sich hatte. Noah hatte viel Angst, Jakob ist hunderte Kilometer durch die Gegend gewandert, Mose durfte selber nicht in das gelobte Land, er verstarb vorher. Auch Jesus hatte seine Probleme: Die Frau am Brunnen versteht ihn nicht, sein Freund Petrus steigt aus dem Boot und geht unter, die Soldaten unter dem Kreuz können mit seinen Worten nichts anfangen.

Es wird nicht so sein, dass wir einfach einen Schalter umlegen. Es wird aber vielleicht so sein, dass wir eine neue Spur in unseren Leben entdecken. Es kann passieren, dass wir etwas empfinden, was uns neugierig macht: Glaube! Gott ist bereit, mit uns wieder an den Anfang zurückzukehren. Er ist bereit, sein heiliges und heilendes Wasser neu auszugießen. Er lässt uns spüren, dass wir bei ihm zu trinken bekommen, wenn wir durstig sind. Mit ihm werden wir unseren Enkeln Erntelieder vorsingen, die vom Dank an den Schöpfer erzählen.

Es grüßt Sie herzlich Ihr
Pfarrer Bernhard Winkler

Angedacht

im August / September, 2022

Grünes Blätterdach

Jubeln sollen die Bäume des Waldes vor dem HERRN, denn er kommt, um die Erde zu richten.
1. Chronik 16,33

Diesem Loblied Davids geht eine lange Reihe an Lobpreisungen voraus. Die Stämme der Völker sollen dem Herrn Lob und Ehre darbringen, alle Länder der Erde sollen vor ihm erbeben, der Himmel freue sich, die Erde frohlocke. Das Meer und alles darin Befindliche soll brausen, die Flur und alles, was auf ihr wächst, soll jubeln.

Der Sommer, Urlaub am Meer, mit den Kindern oder Enkelkindern, endlich mal wieder raus, anderes erleben und sehen. Sich erholen und vielleicht auch gesundwerden in der heilsamen Luft am Meer. Ein guter Grund zum Jubeln.

Aber nicht nur wir, auch die Bäume des Waldes sollen jubeln.

Nachdem die Menschen, die ganze Welt und alles, was sich auf, unter und in ihr befindet, aufgefordert werden, zu rühmen und zu loben, werden die stillen und treuen Begleiter angesprochen:

Die Bäume des Waldes.

Ohne die wir Menschen nicht leben können, weil sie uns die Luft zum Atmen geben, weil sie uns Schutz und Schatten spenden und von frühester Menschheit an das Holz für Feuer oder zum Bau eines Hauses gaben.

Ich verbrachte meine gesamte Kindheit in einem Dorf im Coburger Land. Hinter der Gartentür war der Bach, mit seinen Bäumen und ein paar Schritte weiter der Wald. Wer, wie ich, das Glück hatte, in der Nähe eines Waldes aufwachsen zu dürfen, weiß wie laut Bäume „jubeln“ können und wie wohltuend das frische Grün im Frühling für uns ist. Wie schön es ist nach der Hitze am Strand im Schatten der Bäume die Seele baumeln zu lassen, das habe ich an der Ostsee erlebt.

Nach dem Bad in der Ostsee ist „Waldbaden“ angesagt. Heutzutage mit Anleitung und Waldbademeister*in, mit Zertifikat und Seminargebühr.

„Waldbaden – Achtsamkeit im Park mit Betreuung 2 Stunden 28 Euro mit Begleitheft zum richtigen Atmen“

In meiner Kindheit war dies kostenlos hinter der Gartentür zu haben und geatmet haben wir einfach so. Falls Sie es vergessen haben sollten, hier eine kleine Anleitung (kostenlos):

Die Augen schließen, den Wind spüren, das leise Rascheln der Blätter hören. Den Unterschied zwischen der Pappel und der Buche wahrnehmen. (zur Bestimmung der Baumarten kann man einfach eine App herunterladen 😉 ) Dies gleicht einer Melodie ähnlich wie das sanfte Plätschern eines Baches im Thanngraben, dort einfach Platznehmen, still sein und einfach hören und sehen. Oder frei nach Loriot:

„Ich will einfach nur sitzen“

Das Sonnenlicht taucht die tanzenden Blätter mal in Gold, mal in Silber, so dass ein ständiges Glitzern und Geraschel den Wald mit Licht und Leben füllt. Der Wind nimmt zu. Die Baumkronen neigen sich in den Höhen langsam und majestätisch hin und her. Nun bewegen sich auch die stärkeren Äste und setzen diese Spannung durch lautes Knarren und Knacksen ihrer Glieder frei. Das leise Tuscheln der Blätter, die Bewegungen der Äste und der Kronen schwellen gemeinsam zu einem lauten Jubelgesang an. Jubeln sollen die Bäume des Waldes vor dem HERRN...

Nun dazu braucht es keinen Bademeister, sondern ein offenes Auge, Ohr und Herz. So einfach könnte es sein.

Ich für meinen Teil kann mir keinen schöneren Jubel vorstellen, um die Ankunft des Herrn anzukündigen. Beim nächsten Waldspaziergang werde ich mal wieder bewusst innehalten und den Bäumen noch aufmerksamer lauschen.

Und daran denken, wie einfach es war, dies in meiner Kindheit zu tun.

Mich erinnern, wie schön die Melodie klingt, wenn man am Meer sitzt, den Blick am endlosen Horizont schweifen lässt, die salzhaltige frische Luft einatmet und sich sagt:

Hier ist gut sein! Halleluja!

Ich wünsche Ihnen eine schöne Sommerzeit und erholsame Urlaubs- und Ferientage – evtl. mit einem Waldbad in Altenthann, Burgthann oder an Ihrem Urlaubsort!

Ihr
Günter Tischer

Angedacht

im Juli, 2022

Weißes Herz vor rosa Wolken

Aber die Liebe ist die Größte unter ihnen
1. Korinther 13,13

Liebe ist … so lautete früher eine Serie in der Bild-Zeitung. Immer auf der letzten Seite war ein kleiner Cartoon gezeichnet, und dann kam ein kurzer Zusammenhang, der auf die Liebe hinweisen sollte. Nun: Oft war das ziemlich sinnentleert oder einfach nur blöd. Aber manchmal auch ganz gelungen. Ich gebe zu, ich gehöre nicht zu den regelmäßigen Lesern dieser Zeitung. Aber allein der Hinweis auf die Liebe ist schon was Gutes. Denn die Liebe ist ja in unserem Leben immer mit dabei, aber leider oft wenig mit Aufmerksamkeit versehen.

Wir lieben uns und unsere Welt, wir lieben dieses Restaurant mit dem gelben M, wir lieben Lebensmittel. Aber wann lieben wir einander? Und vor allem: Wie tun wir das?

Die meisten Menschen sind, so darf man wohl annehmen, ein Produkt der Liebe, also deren unmittelbares Ergebnis. Und zugleich sind sie im besseren Falle deren Erfüllung. Denn jeder kann und sollte als erstes erfahren, dass er geliebt ist. Solche Liebe, die Eltern für ihr Kind haben, hat etwas Einzigartiges. So ein Kind ist ein Geschenk, ist ein Wunder und ein Reichtum. Die Liebe, die sich hier entspinnt, ist wahrlich kaum zu überbieten.

Paulus spricht von eben dieser Liebe, aber dennoch ist sein Ansatz ein anderer. Wir wissen, der Apostel war weder verheiratet noch hatte er eigene Kinder. Er war wie Jesus Wanderprediger und seine Gemeinden waren sozusagen seine Kinder. Von Israel aus über die Türkei bis nach Griechenland reiste er und gründete christliche Zentren. Eines war in der Stadt Korinth am Peleponnes. Aber diese Gemeinde war nicht lieb oder liebenswert, sie war bockig und unwillig. Ständig gab es Ärger mit dem Personal. Die einen schrien Hü, die anderen Hott. Paulus war für die einen ein Held, andere meinten, der sei ja nur peinlich.

Eine echte Eltern-Kind-Beziehung, könnte man sagen. Paulus versucht mit seinem Brief an die Gemeinde wieder etwas Ordnung und Verlässlichkeit herzustellen. Dabei ist ihm seine eigene Beziehung nicht so wichtig. Nein, er legt Wert auf den Glauben. Die Beziehung zu Gott, die gilt es vor allem in rechter Weise zu leben und auch vorzuleben.

Wenn im Korintherbrief von der Liebe die Rede ist, dann ist damit doch etwas anderes gemeint als die Liebe aus der Bildzeitung oder die Liebe von Eltern zu ihrem Kind. Die Liebe im Zusammenhang von Glaube und Hoffnung ist mehr eine Beschreibung für Gott. Denn Gott ist Liebe, ist die unendliche Liebe, die Liebe, die keine Schranken kennt, die über Tod und Ewigkeit hinaus geht, die das ganz kleine und das übergroße umschließt, die keine Pause macht und die sich nicht an Bedingungen knüpft oder die auf Gegenliebe wartet.

Solche göttliche Liebe ist in Jesus Christus erschienen. So sagt es Paulus. Darum ist es wichtig, sich Jesus vor Augen zu halten. Denn was wir Lieben nennen, das soll sich von Jesus her inspirieren. Wenn wir mit Jesus leben, dann können wir mit ihm lieben.

Und was bedeutet das für uns? Wir haben eine ganz große Chance: Unsere Liebe wird zu einem Samenkorn. Denn nicht die Erfüllung bei uns selber ist der Hauptgedanke, sondern die Erfüllung beim anderen. So können wir die Liebe als Band des Lebens entdecken. Wir erfahren, was Liebe alles kann und verändert. Wir wissen, dass wir liebenswert sind. Und schließlich erleben wir, wie schön es ist, andere zu lieben.

So bleiben uns Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei: Aber die Liebe ist die größte unter ihnen.

Ihr Pfarrer
Bernhard Winkler

Angedacht

im Juni, 2022

Brief und Siegel

Lege mich wie ein Siegel auf dein Herz, wie ein Siegel auf deinen Arm. Denn Liebe ist stark wie der Tod.
Hohelied der Liebe 8,6

Dieser Text ist rund 2500 Jahre alt. Was hat in unserer Welt eigentlich Bestand? Der Monatsspruch benennt zwei Dinge. Zuerst die Liebe, sie verändert den Menschen und dann der Tod. Fast eine banale Einsicht.

Die Liebe Gottes ist für mich ein Zeichen, sozusagen „mit Brief und Siegel“ Mit Garantie, absolut zuverlässig, ohne „Wenn und Aber.“ Ein Siegel – das Zeichen, dass wir zu ihm gehören.
Wenn wir dies so annehmen können: Gott ist bei uns – immer. Darum müssen wir keine Angst haben. Gott begleitet uns im Leben und im Sterben. Seine Liebe ist sogar stärker als der Tod.

In einer Zeit, wie der jetzigen, wo von einer ZEITENWENDE gesprochen wird, wo sich scheinbar alles wendet. Wenn nur Tohuwabohu herrscht – ein wüstes Durcheinander. Wenn ich nicht mehr weiß, wo mir der Kopf steht. Wenn eine Nachricht die andere jagt und ich nicht sicher entscheiden kann, welcher ich nun glauben soll. Wenn Gut und Böse nicht mehr zu unterscheiden sind. Ja, da wünsche ich mir diese Verlässlichkeit und einen sicheren Rückzugspunkt.

Es stellt sich mir die Frage: Muss ich da auf jede Nachricht sofort reagieren? Daumen hoch oder runter. Schnell noch eine Antwort getippt und an alle verschickt. Jede Mail am besten sofort beantworten, immer erreichbar sein…??? Oder wäre es in unserer Zeit nicht mal heilsam, zu einem schönen Blatt Papier zu greifen. Den alten Füller mit echter Tinte in die Hand zu nehmen und mal wieder einen Brief zu schreiben, mit einem Siegel und einer Briefmarke zu versehen. Vielleicht vorher noch auf einen See hinaus zu rudern oder sich auf einen Berg zurückzuziehen – und wenn nur in meiner Vorstellung.
Als Jesus nach dem wahren Beten gefragt wurde, hat er zur inneren Stille eingeladen. „Wenn du betest, geh in deine Kammer und schließe deine Tür zu; dann bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist.“

Innehalten und schweigen gehört also zur besonderen Seelenpflege und dies schützt vor vorschnellem Handeln und Reden. In dieser Ruhe kann Gottes Liebe leichter zu spüren sein und wir lassen uns vielleicht davon beraten oder leiten. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen für die anstehende Sommerzeit mit vielen Terminen die nötige Achtsamkeit für sich und eine Portion Gelassenheit.

Ihr Diakon
Günter Tischer

Angedacht

im Mai, 2022

Zahnräder

„Der wird uns trösten in unserer Arbeit und der Mühsal unserer Hände.“ 1. Mose 5,29

Es wird Zeit, dass es wieder bergauf geht. Zwei verlorene Jahre liegen hinter uns. Corona hat vieles unmöglich gemacht – das ist jetzt vorbei!

Denn „jetzt wird wieder in die Hände gespuckt. Wir steigern das Bruttosozialprodukt!“

Der Hit von der Musikgruppe Geiersturzflug aus den 80er Jahren ist sinnbildlich: Die Krise ist überwunden, Entbehrungen und Einschränkungen zahlen sich aus. Wir haben was davon, dass wir uns an all die Regeln und Beschränkungen gehalten haben.

So haben sich das auch die Menschen am Anfang der Bibel gedacht. Weil Adam und Eva im Paradies Mist gebaut hatten, wurden sie von Gott vor die Tür gesetzt. „Im Schweiße deines Angesichts“ sollten sie ihren Lebensunterhalt verdienen. Und die Frauen sollten unter Schmerzen gebären. Super! So sieht es eben aus – vor der Tür des Paradieses.

Und so packen wir an und rackern uns ab und legen uns rein. Manchmal möchte man staunen, was Menschen alles leisten können. Beruf, Familie, Hobbys – und immer alles gleichzeitig. Keine Mühe scheuen und immer alle mitnehmen. Keiner will sich die Blöße geben. Jeder will ein Stück vom Kuchen.

„Der wird uns trösten in unserer Arbeit und der Mühsal unserer Hände.“ (1.Mose 5,29)

Die Rede ist hier von Noah. Noah ist der, der mit der Arche die Sintflut überleben wird. Er baut und bastelt an dem Super-Boot, ganz nach dem Plan Gottes. Alles läuft, auch wenn der gute Noah gar nicht recht weiß, was er von Gottes Absicht halten soll, so eine Sintflut zu schicken.

Der Trost des Noah ist die Aussicht, dass Gott treu ist. Denn Noah glaubt an Gott. Er fragt nicht nach dem Paradies, er fragt nach dem, der es trägt. Noah will nicht aus der Arbeit aussteigen, er will in seiner Arbeit Stärkung und Trost erfahren. Er will nicht frei von Problemen und Herausforderungen sein. Er möchte das, was vor ihm liegt, gut schaffen.

Somit ist es nicht Noah alleine, der tröstet. Es ist Gott selber. Darauf können wir in gleicher Weise zurückgreifen. Wenn eine Katastrophe kommt, oder sie sich wiederholt oder uns gar nicht mehr loslässt, dann wissen wir: Gott ist bei uns. Er lässt uns nicht untergehen. So wie er Noah nicht hat untergehen lassen. Arbeit und Mühsal sind erträglich, weil Gott uns trägt.

Wenn wir in die Hände spucken, dann gibt Gott heimlich seinen Segen dazu. Ob das dem Bruttosozialprodukt zuträglich sein wird, bleibt fraglich. Aber uns wird es fraglos zuträglich sein.

Bleiben Sie wohlbehalten.
Ihr Pfarrer Bernhard Winkler

Angedacht

im April, 2022

Pferd auf Wiese

… ich zog ihn auf als Stolz und Freude meiner alten Tage.

Wer wagt es, ihm die Waffe in die Hand zu drücken, Damit er einer anderen Mutter teures Kind erschießt?

Es ist die höchste Zeit, die Waffen fortzuwerfen. Es könnte niemals einen Krieg mehr geben, wenn alle Mütter in die Welt es schreien würden:

„Ich habe meinen Sohn zum Krieger nicht erzogen!“

Die Pieta auf der Abbildung oben steht in der Rummelsberger Philippuskirche im Nordeingang. Sie entstand kurz nach dem 1. Weltkrieg und spiegelt das Grauen dieses Krieges wider.

Keine schöne Figur, eher erschreckend, wenn man sie im ersten Augenblick betrachtet. Sie stand bis zur Renovierung in der Krypta der Kirche. Keine liebliche Figur, sondern eine Frau mit aschfahlem Gesicht, deren Blick ins Leere geht, den toten Sohn hält sie in ihren Armen. Der Blick einer Mutter, die ihr Kind verloren hat.

Ein Karfreitagsbild, das man am liebsten auf den Dachboden wegstellen möchte. Es ist doch bald Ostern und am Ostermorgen kommt Maria von Magdala zu den Jüngern. Sie verkündet ihnen: “Ich habe den Herrn gesehen.“ Und sie berichtet ihnen, was er ihr gesagt hat. (Johannes 20,18)

Es ist doch bald Ostern, da wäre ein Frühlingsbild doch passender. Ein Bild der Hoffnung, ein Bild des Auferstandenen. Ein Hoffnungsbild. Doch heute sehe ich im Fernsehen andere Bilder. Bilder, die mich nicht loslassen, von weinenden Frauen, deren Kinder zerbombt werden. Von Städten, die zerstört werden, von Männern aus deren Mündern die Lüge spricht, die Verhandlungsbereitschaft heucheln und weiter morden. Da fällt der Blick auf Ostern schwer. In den letzten Tagen höre ich oft von Menschen, dass sie sich hilflos und machtlos fühlen. Und doch sehe ich auch die große Solidarität, große Hilfsbereitschaft. Das Aufbegehren mutiger Menschen in Moskau, St. Petersburg und anderen Städten Europas gegen diesen Krieg. Das sind für mich österliche Zeichen gegen Tod und Zerstörung, Zeichen gegen die Machtlosigkeit, Zeichen für Hoffnung.

Da spüren Menschen, dass Unmenschliches geschieht in diesem Krieg und sie schweigen nicht. Da sind Menschen in Russland, Mütter, Väter junge und alte Menschen, die trotz Sanktionen und Strafen auf die Straße gehen. Meine österliche Hoffnung ist es, dass wir mit diesen Menschen irgendwann einmal in Zukunft Ostern feiern.

Ich bin mir sicher, dass vielen Müttern und Vätern der Text auf der ersten Seite aus dem Herzen spricht. Am 23. Februar 1915 mitten im 1. Weltkrieg erschien er in einer österreichischen Zeitung. In der Nacht vom 23. Februar 2022 begann der Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Es sind Hoffnungsworte für eine Welt, in der Friede herrscht, wo der Auferstandene Jesus zu uns spricht: Friede sei mit euch.

Ja, wir mögen hilflos sein, aber wir vertrauen auf die Hilfe dessen, der Himmel und Erde geschaffen hat. Dem wir unsere Herzen öffnen, damit von dort der Friede in die Welt geht.

Der Friede Gottes, der unser aller Begreifen übersteigt, bewahre unsere Herzen und unsere Gedanken in der Gemeinschaft mit Christus Jesus. Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige Gott, der Vater und der Sohn und der Heilige Geist.

Günter Tischer

Angedacht

im März, 2022

Pferd auf Wiese

„Jetzt ist die Zeit!“ Markus 1,15

43 Jahre ist es her, dass der Kirchentag der Evangelischen Christen in Deutschland zu Gast in Nürnberg war: 1979 war das. Das Motto lautete seinerzeit: „Zur Hoffnung berufen“. Es war eine aufregende und aufreibende Zeit Ende der 70er. Der Terrorismus hatte unser Land verändert, die Bedrohung durch die immer größer werdenden Waffenarsenale in Ost und West machten vielen Angst und die Nutzung der Atomenergie war schon zu ihrem Beginn sehr umstritten. Die Botschaft der Hoffnung lockte erstmals über 120.000 Menschen zum Schlussgottesdienst auf den Luitpoldhain. Es wurde heftig über die Rolle von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften gestritten und der Star der Tage war die aufrührerische Theologin Dorothee Sölle, die aus New York angereist kam.

Im kommenden Jahr wird der Kirchentag wieder in Nürnberg zu Gast sein. Diesmal lautet das Moto: „Jetzt ist die Zeit!“ – und alle fragen sich: Werden wir wie 2021 alles per Livestream über den Computer anschauen müssen? Oder treffen wir uns persönlich? Dass der Kirchentag eine große Chance sein wird, steht für viele außer Frage: Die politischen Themen liegen auf der Hand: Friede, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung müssen noch immer neu formuliert und gefordert werden, der ökumenische Dialog mit der Katholischen Kirche braucht dringend Impulse, die eigene Zukunft der Kirchen steht auf dem Prüfstand.

Es liegt also an uns, was wir draus machen: Tragen wir das Format der großen evangelischen Treffen langsam zu Grabe, oder packen wir die Gelegenheit beim Schopf? „Jetzt ist die Zeit!“ – das trifft uns mitten hinein ins Herz. Denn wir haben es in der Hand, was aus uns und dieser Welt wird. Und – das ist der Hintergrund dieses Bibelwortes – Gott lässt uns nicht im Stich. Er steht bereit, er kommt, ganz real, als Menschen, als Sohn, als Jesus von Nazareth. Er kommt, denn: „Jetzt ist die Zeit!“ für neue Hoffnung. Nürnberg kann diesen Impuls setzen, für uns Christen und weit darüber hinaus. Nächstes Jahr ist es möglich, den Gemeinden, den Kirchen, ja allen Menschen ein Zeichen zu geben: Kirche kann Zukunft! Kirche hat Kraft! Kirche ist da!

Es wird viel Mut brauchen, um den Kirchentag im kommenden Jahr so zu gestalten, dass er wirklich Wirkung erzielt. Es wird vor allem Menschen brauchen, die sich da hinbegeben, die mitmachen, die vor allem den Mund aufmachen. Als Jesus als Kind in diese Welt geboren wurde, da war klar: Gott schweigt nicht. Gott schickt sein lebendiges Wort. Hier hat einer was zu sagen. Jesus ist die Ansage Gottes an die Welt, die noch immer seine ist.

Sagen wir das doch einfach weiter. Sagen wir es und geben der Welt neue Hoffnung. Wann wäre es besser, als jetzt? Jetzt! Denn:

„Jetzt ist die Zeit!“

Es grüßt Sie herzlich Ihr
Pfarrer Bernhard Winkler

Angedacht

im Februar, 2022

Pferd auf Wiese

Wenn ihr euch über jemanden ärgert, sollt ihr nicht sündigen. Ihr sollt euch wieder vertragen, bevor die Sonne untergeht. Epheser 4,26

Seit dem 2. Weltkrieg beten die Rummelsberger Brüder das Wochenschlussgebet. Diese Gebetsgemeinschaft verbindet seit damals die Brüder und ihre Frauen, egal wo sie auch immer gerade sind: Jede Woche wird an alle gedacht, die Geburtstag haben, die krank sind oder ein besonderes Gebetsanliegen haben. Ein für mich wichtiger Teil in der Liturgie ist die gegenseitige Schuldvergebung:

„Ich bekenne Gott, dem Allmächtigen, und euch, Schwestern und Brüder, dass ich gesündigt habe mit Gedanken, Worten und Werken. Ich bin vor Gott und den Menschen schuldig geworden, bewusst und unbewusst, im Bösen, das ich getan und im Guten, das ich unterlassen habe. Darum bitte ich euch, betet für mich zu Gott, unserem Herrn.

Der allmächtige Gott erbarme sich deiner, und vergebe dir deine Sünde und führe dich zum ewigen Leben.“

Bevor die Sonne untergeht, lege ich, all das Belastende, was zwischen uns steht ab.

„Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“

Oft vergessen wir bei dieser Bitte im Vaterunser gerne die zweite Satzhälfte. Schuld sind immer die anderen: Bill Gates, der Russe, der Chinese, die Juden, die Christen, die Muslime, Eva, die mit dem Apfel …

Im folgenden Versöhnungsgebet von Coventry geht es darum, nicht mit dem Finger auf die anderen zu zeigen, sondern die eigenen Anteile hinzulegen und um Vergebung zu bitten. „Besserwisser und sogenannte Querdenker“ auf der Straße tun das nicht! Zumindest habe ich dies noch auf keinem Plakat gesehen. Schon gar nicht die Bitte um die eigene Vergebung:

Den Hass, der Rasse von Rasse trennt, Volk von Volk, Klasse von Klasse,
Vater, vergib.
Das Streben der Menschen und Völker zu besitzen, was nicht ihr Eigen ist,
Vater, vergib.
Die Besitzgier, die die Arbeit der Menschen ausnutzt und die Erde verwüstet,
Vater, vergib.
Unseren Neid auf das Wohlergehen und Glück der Anderen,
Vater, vergib.
Unsere mangelnde Teilnahme an der Not der Gefangenen, Heimatlosen und Flüchtlinge,
Vater, vergib.
Die Gier, die Frauen, Männer und Kinder entwürdigt und an Leib und Seele missbraucht,
Vater, vergib.
Den Hochmut, der uns verleitet, auf uns selbst zu vertrauen und nicht auf Gott,
Vater, vergib.

Vielleicht wäre es ja eine Hilfe mit diesem Gebet erstmal an einem stillen Ort in sich zu gehen, sich zu prüfen, was mich davon berührt und angeht - um dann den Blick durch das Herz nach außen zu richten. Vielleicht wäre die Welt dann etwas freundlicher.

Seid untereinander freundlich, herzlich und vergebet einer dem anderen, wie Gott euch vergeben hat in Jesus Christus. (Epheser 4,32)

Günter Tischer

Angedacht

im Januar, 2022

Pferd auf Wiese

Jesus Christus spricht: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen. Johannes 6,37

„Jetzt hau endlich ab! Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben!“

Peng, die Tür knallt ins Schloss.

Da steh ich nun, ratlos, müde und ganz allein.

„He, ich dachte, wir wären Freunde?“ ruf ich noch, aber es kommt keine Antwort mehr.

Ich überlege, zu wem ich jetzt gehen könnte?

Peter, Peter ist ein ruhiger Typ. Aber seine Schwester hat gesagt, er sei verreist. Dabei ist der Peter noch nie alleine irgendwo hin gefahren.

Daniel liegt krank im Bett. Das sagt zumindest seine Mutter. Aber gestern Abend habe ich ihn noch in der Stadt gesehen.

Thomas ist angeblich nicht zu Hause. Auf jeden Fall hat keiner die Tür aufgemacht. Aber Licht hat gebrannt, und ich habe gesehen, wie die Gardine gewackelt hat.

Tja, und jetzt auch noch Michael. Haut mir einfach die Tür vor der Nase zu.

Schöne Freunde sind das, echt schöne Freunde. Waren auf jeder Party mit dabei, haben sich von mir einladen lassen. Und nur, weil ich pleite bin, bin ich ihnen nichts mehr wert. „Hau ab!“

Was mach ich nun? Ich könnte ja nach Hause gehen, zu meiner Familie. Aber, nein, das mache ich nicht. Da schäme ich mich zu sehr. Und außerdem, warum sollten ausgerechnet meine Eltern mir die Tür aufmachen?

Ich hab mich schlecht benommen. Ich wollte ja nur ihr Geld. Hab mir die Taschen voll gestopft und bin abgehauen. Ohne Gruß, hab einfach die Tür hinter mir zugeknallt.

Ne, die machen mir nicht auf. Also, wenn ich an ihrer Stelle wäre, ich würde das nicht machen! Aber meine Eltern sind ja nicht so wie ich. Sie sind gütig, sie sind lieb. Sie sind irgendwie besser.

Ich gehe los. Meine Eltern wohnen am andern Ende der Stadt. Ich gehe ganz langsam, ich will gar nicht ankommen. Aber dann stehe ich vor der Tür. Die Tür zu meiner Familie. Es brennt Licht. Sie sind da.

Im Fenster sehe ich meinen Bruder! O weh, er wird mich hassen. Und ich höre Stimmen. Die Tür ist vor mir, sie will sich öffnen. Aber wie?

Zaghaft klopfe ich, fast unmerklich. Ich drehe mich um, will wieder gehen. Aber die Tür geht auf. Ich spüre den Schatten hinter mir. Mein Bruder: „Was willst du denn hier? Wir brauchen dich nicht mehr. Verschwinde.“

Nur kurz sehe ich ihn. Dann macht es peng. Die Tür knallt zu. Ich wusste es, es war falsch. Ich hatte mein Leben verdorben, und das war nun die gerechte Strafe. Tür zu, Licht aus. Ende.

Ich gehe den Weg und gehe ins Nichts. Wieder höre ich Stimmen aus dem Haus. Streng klingen sie, mein Bruder und mein Vater. Und dann höre ich die Tür. Sie geht auf. Ich gehe weiter, ich bleibe nicht stehen.

„Mein Sohn!“ Warm, liebevoll, sehnsüchtig ruft mein Vater. Ich sehe mich um: Da ist er, mein Vater, mit offenen Armen in der offenen Tür.

Er kommt zu mir, seine Arme umschließen mich. Er hält mich und nimmt mich mit ins Haus. Die Tür schließt sich hinter uns. Am Ende des Gangs ist mein Bruder. Er sieht enttäuscht aus. Er geht in sein Zimmer, doch er lässt die Tür einen Spalt offen. Jetzt weiß ich, dass auch die Tür zu seinem Herzen offen ist.

„Mein Sohn“, sagt mein Vater, „wir wollen feiern! Ich bin unzählige Male zur Tür gegangen, weil ich dachte, du würdest davor stehen. Und heute ist es geschehen. Wir laden alle Freunde ein und feiern. Du darfst auch deine Freunde einladen.“

„Freunde?“ antworte ich, „Freunde habe ich keine.“

„Doch!“ sagt mein Vater, „jeder, der durch diese Tür kommt, ist dein Freund.“

Viele offene Türen - für Sie und bei Ihnen - das wünsche ich Ihnen für dieses neue Jahr.

Es grüßt Sie herzlichst Ihr
Pfarrer Winkler

Angedacht

im Dezember, 2021

Pferd auf Wiese

Freue dich und sei fröhlich, du Tochter Zion! Denn siehe, ich komme und will bei dir wohnen, spricht der HERR. Sacharja, 14

Haben Sie schon Ihren Wunschzettel geschrieben? Oder sind gar schon alle Geschenke eingepackt, in weiser Voraussicht – weil es ja in der Adventszeit eng werden könnte, weil es nicht mehr lieferbar ist, weil …

Mein Wunsch wäre für die Adventszeit: Wieder miteinander Gottesdienste zu feiern, sich mit Freunden zu treffen, den Enkelkindern ohne Angst vor gegenseitiger Ansteckung zu begegnen.

„Hinter uns liegen niederdrückende Zeiten“, so wünschte ich diese Zeilen zu formulieren. Schluss mit den Negativschlagzeilen. Keine Diskussionsrunde zu Corona, kein 57 igstes update zu den neuesten Regeln, keine negativen Nachrichten von Menschen auf der Flucht, kein Blahblah von der Klimakonferenz …

Die Adventszeit schlägt neue Töne an, so mein stiller Wunsch. Früher war sie eine Buß- und Fastenzeit. Fastentage wurden eingelegt. Die Orgel verstummte. Zeit zum Nach-Denken. Zum Stille sein. So wie der Baum, dessen Blätter am herbstlichen Boden liegen, einfach Da-sein. Und zu wissen, dass die Knospen da sind, das Licht der Sonne da ist, auch wenn die Tage kürzer und dunkler werden. Für die Natur braucht es diese Zeit des Ausruhens. Vielleicht sollte ich mal darüber nachdenken, dass auch ich ein Teil dieser Schöpfung bin.

Heutzutage ist Advent eine Zeit, auf die wir uns freuen. Auf den Marktplätzen duftet es nach Zimt, Sternanis und Glühwein. Lichterketten und Kerzen schmücken die Wohnung. Und draußen glitzern die Häuser mit tausend Lichtern. Und sind wir Adventsskeptiker, die alles schon so oft erlebt haben, so stecken uns die Kinder aufs Neue mit ihrer Vorfreude an. Aber bei all dem, was uns das Herz erwärmt, ist das Wichtigste die Hoffnung.

Eindringlich spricht der Prophet Sacharja zu uns. Obwohl er selbst schwere Zeiten erlebt, sieht er nicht zurück. Er vergräbt sich nicht in Groll, Bitternis und Klagen. Er überlässt die Zukunft nicht der Angst. Hoffnung heißt sein Lebensmotto. Denkt daran: Gott hat uns nicht vergessen. Gott schenkt uns neuen Mut, auch mitten in dunkler Zeit. Es gibt einen viel größeren Raum als mein kleines Leben. „Freue dich und sei fröhlich, du Tochter Zion! Denn siehe, ich komme und will bei dir wohnen, spricht der HERR“, sagt Sacharja.

Erwartet das Heil von keiner Weltmacht, von keiner Großmacht! „Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin …

Der Kriegsbogen soll zerbrochen werden …

Er wird Frieden gebieten den Völkern.“ Gott will in euer Herz einziehen. Er will eure Niedergeschlagenheit, euren Pessimismus und euren Groll mit Freundlichkeit besiegen.

Frohe Weihnachten.
Ihr Diakon Günter Tischer

Angedacht

im November, 2021

Pferd auf Wiese

Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft. Sei nur stille zu Gott, meine Seele; denn er ist meine Hoffnung. Psalm 62,2

Novemberblues

Lange Zeit habe ich mich gefragt, was wohl mit meinem Pferd los ist. Jedes Jahr im Herbst verändert sich sein Verhalten. Wenn der kalte Wind kommt und die Bäume sich schwer im Wind wiegen, fängt er an, ängstlich und unsicher zu werden. Das war in jungen Jahren ganz schlimm. Da bin ich im November nicht mal vom Hof mit ihm gekommen. Ohren und Hals ganz hochgestellt, alle Muskeln angespannt, die Nüstern weit gebläht. So stand er da und weigerte sich, auf dem schmalen Weg über die Straße auf den Klosterberg zu gehen.

Ich habe mir folgende Erklärung überlegt: Mein Pferd ist in der Nähe von Cuxhaven auf einer sogenannten Maschwiese großgeworden. So eine Wiese grenzt ans Meer. Wenn im Herbst die Winde kommen, drückt das Meer auf die Wiesen. Wahrscheinlich hat mein Pferd mal so eine Flut erlebt, bei der er über Tage im Wasser stand. Das hat sich ihm ins Gedächtnis gesetzt. Und bis heute hat er seinen Novemberblues.

Bleibt die Frage: Was kann man dagegen tun? Reichlich wenig. Wenn die Seele ins Abseits kippt, helfen in der Regel keine guten Ratschläge. Es gibt nur einen Weg, mit dieser inneren Not fertig zu werden: Geduld. Das klingt nach wenig, aber es kann so viel sein. Denn Geduld ist ja eine Sache, die man sich auferlegen muss, die wie Warten und Zuschauen eher passiv, ohne eigenes Zutun geschieht. Geduld ist eine sehr schwere Übung. Sicher, es gibt Menschen, denen fällt das leichter. Die haben eine gewisse innere Ruhe, die können sich zurücknehmen und auch die innere Balance mal sich entwickeln lassen.

Leider gehöre ich nicht dazu. Und das macht es mir und meinem Pferd oft schwer. Dazu kommt, dass wahrscheinlich nicht nur mein Pferd diesen Blues hat. Habe ich ihn auch? Die kalte Jahreszeit hat ihre Reize, aber nicht im Übergang. Und bei den gegenwärtigen Heizkosten – die ja noch zu bezahlen sind – wird man erst recht depressiv! Wenn man doch mit sich selber auch geduldig sein könnte – warten, dass sich die Stimmung aufhellt. Die Stille und die Tiefe einmal annehmen, vielleicht sogar genießen? Ja, bei mir ist jetzt alles in einen Nebel gehüllt, ich hab weniger Energie, das Wetter macht mir manchmal Angst, ich traue mich nicht mal auf die Wege, die mir eigentlich vertraut sind.

Im Psalm 62 heißt es am Anfang: Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft. Und etwas später: Sei nur stille zu Gott, meine Seele; denn er ist meine Hoffnung.

Stille und Geduld müssen nicht leer und wertlos sein. Sie können einen neuen Weg eröffnen, gerade wenn der alte sich verschließt. Stille hin zu Gott – da ist eine Richtung gegeben, da bleibt ein Gegenüber, eine Sehnsucht und ein Gebet. Stille zu Gott ist eine Haltung, die sich dem Blues entgegenstellt. Dieser Psalm ermutigt zum Abwarten, zu geduldigem Stillsein. Gott ist und bleibt auf unserer Seite. Er errettet unsere Seele aus dem Wind der Verwandlung, aus dem Nebel des Vergehens. Gott bleibt unsere Hoffnung, auch wenn sich in uns alles sträubt. Gott macht aus dem Blues eine Melodie, die sich aus dem Herbststurm erhebt und uns leise und sanft wiegt.

Ehrlich gesagt, ich habe schon überlegt, ob ich meinem Pferd mal so ein melancholisches Lied vorspielen soll? Zum Beispiel „November Rain“ von Guns ‘n Roses. Oder „November Blues“, ein echt entspanntes Klavierstück von Diemtar Steinhauer. Vermutlich wird das nichts nützen. Aber ich selber kann mir das anhören. Es wird mir helfen meine Seele in Stille und Geduld zu üben. Daraus kann sich eine gute Lösung ergeben: Einfach in die Reithalle gehen und die kalten Winde draußen lassen. Das gibt Sicherheit und Entspannung. Daraus erwächst die berechtigte Hoffnung, dass auch dieser November samt seinem Blues vorübergeht.

Gönnen Sie sich und Ihrer Seele diese Zeit der Stille. Wir haben von Gott die Zusage, dass er uns trägt.

Es grüßt Sie herzlich Ihr
Pfarrer Bernhard Winkler

Angedacht

im Oktober, 2021

Schlafende Person auf Wiese

Lasst uns aufeinander achthaben und einander anspornen zur Liebe und zu guten Werken. Hebr. 10,24 (L)

Was muss ich tun, um einen gnädigen Gott zu haben? Der Versuch, Gott durch Opfer gnädig zu stimmen, muss kläglich scheitern. Auf dieses Dilemma wird im Hebräerbrief im 10. Kapitel hingewiesen.

Was muss ich tun für einen Gott, der mir wohlgesonnen ist, damit ich „in den Himmel komme“?

Lebe ich mein Leben fromm genug, dass ich die Liebe Gottes verdiene? Das war eine der Fragen, die Martin Luther umgetrieben haben und vieler anderer mit ihm. Oft erlebe ich im Gespräch mit Trauernden, dass man nur das positive aus dem Leben des Verstorbenen erzählt, die guten Taten. „Er/sie war immer für andere aufopferungsvoll da.“ Manchmal spüre ich die Scheu das ganze Leben zu erzählen, mit seinen Licht- und Schattenseiten.

Ich versuche dann zu entgegnen: Wir müssen Gott nicht gnädig stimmen, denn wir können davon ausgehen, dass er es ist.

Es gilt, dass mit Jesus Christus alles geschehen ist und Gott dem Menschen seine Gnade zugewandt hat.

Aber: Was ist noch zu tun, wenn alles schon getan ist?

Es gibt im Hebräischen ein Wort, das es in sich hat: hineni, auf Deutsch „hier bin ich“. „Hineni“ – der wohl mächtigste Ausdruck, den die hebräische Sprache für die Aufmerksamkeit und Bereitschaft kennt, eine Aufgabe mit Hingabe zu übernehmen.

„Hier bin ich!“ Mose und Abraham antworten mit diesem Wort auf den Ruf Gottes.

Und Gott selbst sagt sich uns zu. „Ich bin da – ich bin für dich da!“ Ein größeres Geschenk kann er uns nicht machen. Jesus Christus hat sich dafür hingegeben. „Ich bin für dich da!“ Es braucht nur unser Vertrauen, ihm im Gebet zu antworten: „Hier bin ich.“ Wo wir so zueinanderfinden, tauche ich in Gottes Barmherzigkeit ein. Und dann verändern sich die Dinge im Leben …

Die Perspektive hat sich geändert: Ich muss nicht mehr nur auf mich schauen, sondern kann meinen Blick frei werden lassen für andere Menschen: Lasst aufeinander acht haben.

DU HERR, mein Gott,
Hineni – hier bin ich,
DU kennst mich beim Namen.
DIR bin ich nicht egal

Ihr Diakon Günther Tischer

Angedacht

im August / September, 2021

Saftiges Kornfeld

„Die Bäume stehen voller Laub, das Erdreich decket seinen Staub mit einem grünen Kleide!“

Die Worte von Paul Gerhard haben mich auf einem Spaziergang begleitet. Alles scheint momentan in besonders leuchtenden Farben. Und dazu der viele Regen, der dem Grün immer neuen Treibstoff und Antrieb gibt. Man kommt ja kaum noch mit dem Rasen mähen hinterher, so sehr sprießt es überall. Auf den Feldern reift das Getreide mit großer Kraft, und wenn man in die Wälder schaut, sieht man kaum braune Stellen, sondern nur kräftiges Grün.

Die vergangenen extrem trockenen Jahre sind vergessen. Manch einer stöhnt schon unter dem unablässigen Regen, der uns seit Frühjahr begleitet. Für die Landwirtschaft besteht die Gefahr, dass sich Schimmelpilze bilden. Außerdem ist noch nicht alles Heu eingebracht, weil es nach dem Schneiden erst trocknen muss. Die Gartenbesitzer hingegen freuen sich, weil sie nicht wie in der Vergangenheit ständig gießen müssen. Der Regen hält den Garten frisch.

Gottes Brünnlein hat Wasser die Fülle. Du lässt ihr Getreide gut geraten; denn so baust du das Land. Psalm 65,10

Während wir seit vielen Monaten mit den Gefahren der Pandemie und möglichen oder nötigen Maßnahmen dagegen beschäftigt sind, zeigt uns die Natur ihr anderes Gesicht: Leben blüht auf, wächst in Hülle und Fülle, schenkt Reichtum, Zukunft und Sicherheit. Sogar die Insekten scheinen zurückzukommen, und in den vielen Blumenwiesen, die an den Feldern und um die Häuser blühen, tummeln sich Bienen und Hummeln. Der Vogelgesang zeugt von zahlreichen Populationen, an den Vogelgetränken herrscht morgens und abends reger Betrieb.

Mit dem Klimawandel werden wir lernen müssen, für solche Dinge in besonderer Weise dankbar zu sein. Wenn Paul Gerhard in seinem berühmten Lied den Sommer lobt, dann tut er das auch aus einer besonderen Dankbarkeit heraus: Mitte des 17. Jahrhunderts war eine lange Zeit der Kälte vorüber. Über Jahrzehnte hinweg war es in ganz Europa ungewöhnlich kalt. Von September bis April herrschten Minustemperaturen, es gab nur sehr kärgliche Ernten und die Menschen litten unter Hunger. Die Tage und Wochen, an denen es warm und freundlich war, erschienen damals wie ein besonderer Segen des Himmels. „Schau an der schönen Gärten Zier und siehe wie sie mir und dir sich ausgeschmückt haben.“

Wenn wir in diesem Jahr ausreichend Regen haben, dann ist das auch ein Geschenk Gottes. Die Menschen in der Bibel wussten das von jeher, denn in ihrem Land war und ist Regen und Wasser immer etwas Besonderes. Das Lob des 65. Psalms kann uns ermutigen und anleiten, es den Gläubigen von damals gleichzutun. Wir können sehr froh sein, wenn unser Leben in solcher Weise behütet ist. Wir können sehr dankbar sein, wenn wir auch in der Gefahr immer wieder Gottes Segen unmittelbar erleben und spüren. Denn so wie die Natur mit dem Regen aufblüht, erfahren wir Kraft und Stärke in Gottes Zuwendung zu uns. Das führt uns zu einem der schönsten Sätze, den die Bibel bereithält. Am Ende des Psalmgebets heißt es:

Du krönst das Jahr mit deinem Gut, und deine Spuren triefen von Segen.

Eine schöne Sommerzeit wünscht Ihnen
Ihr Pfarrer Bernhard Winkler